Am 19. Dezember 2008 haben die eidgenössischen Räte das neue Erwachsenen- und Kindesschutzrecht angenommen. Es sieht vor, dass künftig eine neue interdisziplinär zusammengesetzte Fachbehörde in Vormundschaftsfragen entscheiden muss. Heute ist im Kanton Bern der Gemeinderat zugleich Vormundschaftsbehörde, wenn das kommunale Recht keine andere Zuständigkeit vorsieht. Dies ist nach neuem Recht nicht mehr zulässig.
Auf Grund der neuen, gesteigerten Anforderungen des Bundesrechts stellt sich die Frage, ob die heutige kommunale Zuständigkeit beibehalten werden kann. Deshalb sind im Kanton Bern je ein Modell für die Umsetzung der bundesrechtlichen Anforderungen mit kommunaler und kantonaler Kompetenz ausgearbeitet und in die Vernehmlassung geschickt worden.
Beim kommunalen Modell der Aufgabenerfüllung wäre es weiterhin Sache der Gemeinden, die neu zuständigen Fachbehörden zu bestimmen. Der Kanton würde keinen Perimeter für die Aufgabenerfüllung vorschreiben, aber ein minimales Einzugsgebiet von 20'000 Einwohnerinnen und Einwohnern empfehlen. Die Fachbehörde müsste mindestens drei Mitglieder zählen und interdisziplinär zusammengesetzt sein. Präsident oder Präsidentin wäre eine Juristin oder ein Jurist.
Beim kantonalen Modell würden die Verwaltungskreise den Ausgangspunkt für die Perimeter der Vormundschaftskreise bilden. Der Verwaltungskreis Bern-Mittelland würde (gleich wie bei den Wahlkreisen für den Grossen Rat) in drei Vormundschaftskreise aufgeteilt und die Verwaltungskreise Obersimmental-Saanen und Frutigen-Niedersimmental zu einem gemeinsamen Vormundschaftskreise zusammengelegt. Dies würde zu elf kantonalen Fachbehörden führen, die ebenfalls aus mindestens drei Mitgliedern interdisziplinär zusammengesetzt wären.
Die Vernehmlassung hat kontroverse Resultate ergeben. Zusammenfassend sprechen sich vor allem die Gemeinden und Gemeindeverbände mehrheitlich für die Beibehaltung der kommunalen Zuständigkeiten aus, allerdings mit deutlichen Unterschieden, indem vor allem die Städte die kantonale Kompetenz vorziehen. Die Justiz und die Fachverbände votieren eindeutig für die kantonale Zuständigkeit, während die politischen Parteien gespalten sind. Der Regierungsrat bevorzugt einen Wechsel zur kantonalen Zuständigkeit. Für ihn steht im Vordergrund, dass die stark steigenden fachlichen Anforderungen mit professionellen Fachbehörden besser erfüllt werden können. Die Bewältigung der Aufgaben durch 11 kantonale Fachbehörden würde eine ausreichende Fallpraxis und die geforderte Professionalität sicherstellen. Der Regierungsrat nimmt die Bedenken der Gemeinden Ernst, ist aberüberzeugt, dass die geforderte Bürgernähe durch die Zuständigkeit der regionalen und kommunalen Dienste für die Abklärung und Mandatsführung auch weiterhin gewährleistet sein wird. Schliesslich hat eine Berechnung der Kosten ergeben, dass sich die beiden Modelle von Fachbehörden kostenmässig nicht gross voneinander unterscheiden.
Der Regierungsrat unterbreitet dem Grossen Rat einen entsprechenden Bericht zur Kenntnisnahme. Nach der Behandlung des Berichts durch den Grossen Rat– voraussichtlich in der Januarsession 2010– werden die Gesetzgebungsarbeiten aufgenommen. Das neue Erwachsenen- und Kindesschutzrecht wird voraussichtlich im Jahr 2013 in Kraft treten.
Mediendokumentation
- Referat Regierungsrat Christoph Neuhaus, Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektor (PDF 29 KB)
Neues Erwachsenen- und Kindesschutzrecht, Umsetzung im Kanton Bern - Referat Andrea Weik, Vorsteherin Kantonales Jugendamt (PDF 33 KB)
Neues Erwachsenen- und Kindesschutzrecht, Umsetzung im Kanton Bern - Bericht an den Grossen Rat (PDF 184 KB)
Neues Erwachsenen- und Kindesschutzrecht, Umsetzung im Kanton Bern - Bericht zum Ergebnis der Vernehmlassung (PDF 116 KB)
Neues Erwachsenen- und Kindesschutzrecht, Umsetzung im Kanton Bern